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Das Echo des Krieges

Eine Dokumentation.

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Rojava ist der kurdisch dominierte Teil Nordsyriens, der Name bedeutet Abendsonne und bezeichnet des Westen Kurdistans.

Im Zuge des Krieges hat sich die syrische Zentralregierung seit 2012 zunehmend aus der strukturschwachen Region zurückgezogen. Am 17. März 2016 rief eine Versammlung von kurdischen Delegierten sowie Abgesandten aller ethnischen Minderheiten die autonome Föderation Nordsyrien aus, eine an die Ideen der Rätedemokratie angelehnte kommunale und regionale Selbstverwaltung.

Robert Kriegs gut 40-minütiger Film fokussiert auf den zivilen und ökonomischen Umbau der Gesellschaft am Beispiel der Kleinstadt Amûdê direkt an der türkischen Grenzmauer. Nach einer kurzen Einführung mit Off-Kommentar und visuellen Eindrücken von Amûdê übernehmen Menschen aus der Stadt das Wort und erklären ihr neues Gesellschaftsmodell. Im Stadtteilbüro werden Anträge auf Lebensmittelkarten beantragt, was ruhig, aber nicht konfliktfrei funktioniert, das Frauenkomitee stellt seine Arbeit vor, im Laden „Schönheit der Frau“ erläutern die Mitglieder der Kooperative, wie sie arbeiten und leiten den Besuch an eine Nähkooperative im nahegelegenen Kobanê weiter. Es geht zu einem Zwiebelbauern, der sein Gemüse in ganz Syrien vertreibt.

Experiment Rojava ist ein parteilicher Film, dem der Elan der erklommenen Berge innewohnt. Und es ist grade die Parteilichkeit, die den Regisseur die Mühen der Ebene deutlich erkennen lässt. Der Krieg ist in leisen Tönen präsent, etwa, wenn die Söhne an der Front erwähnt werden, die Frauen der Kooperativen sich die Heimatfront nennen, oder junge Männern im Café sich fragen, ob ein Studium nicht Zeitverschwendung sei angesichts der zwei Wehrdienste, die sie abzuleisten hätten: den syrischen und den kurdischen.

Ein Sozialwissenschaftler erklärt das Experiment Rojava mit all seinen Fallstricken, und der Ehemann einer Aktivistin legt scharfsinnig dar, warum er sich nicht aktiv am neuen Gesellschaftsmodell beteiligt. Experiment Rojava in Nordsyrien. Eine Gesellschaft im Aufbruch zeigt trotz seiner Kürze die Koordinaten eines egalitären Gesellschaftssystems lebendig auf und ermutigt, darüber nachzudenken.

Irit Neidhardt

FR.de, 11. Mai 2019
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