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„Intifada – auf dem Weg nach Palästina“

Was steckt hinter den immer gleichen Bildern der Fernsehnachrichten aus den israelisch besetzten Gebieten von steinewerfenden Jugendlichen und schwerbewaffneten Militärpatrouillen? Robert Kriegs einstündige, erklärtermaßen subjektive und parteiische Bestandsaufnahme liefert Einblicke in das Alltagsleben jener Menschen auf der Westbank und im Gazastreifen, die schon seit langer Zeit unter permanentem Ausnahmezustand leben, leben müssen.

Die persönlich gehaltene, solide gemachte Dokumentation zeigt, welche Auswirkungen der perma-nente Spannungszustand, die oft wochenlangen Ausgangssperren für das individuelle und soziale Leben gebracht haben: Die Familien backen ihr Brot wieder selbst, in kleinen Gärten und Schuppen sind Hühner oder Viehställe zur Selbstversorgung entstanden. Die Intifada-Leitung hat die Palästi-nenser inzwischen zum Boykott aller israelischen Waren aufgerufen. Im Untergrund wurden Kliniken für die Verletzten der Straßenschlachten und für gewöhnliche Kranke eingerichtet, eine Tischlerei arbeitet möglichst lautlos hinter verbarrikadierten Fenstern.

"Intifada" bedeutet auch das Ende der traditionellen arabischen Ordnung und Familienhierarchie. "Die Väter folgen heute den Söhnen", heißt es in Robert Kriegs Kommentar. Seine Dokumentation zeigt zudem, daß die Frauen aus ihrer angestammten Zurückhaltung herausgetreten sind. Deshalb muß man nun nicht gleich an die Dauerhaftigkeit solcher beinahe revolutionären Umwälzungen glauben, wie es Kriegs oft verdächtig blumige Kommentar-Phraseologie nahelegt – die geschichtlichen Erfahrungen sprechen eher dagegen. Es ist und bleibt immer gefährlich, wenn ein Dokumentarist kommentierend über das hinausgreifen will, was das pure Bildmaterial und die Originaltöne zweifelsfrei belegen.

Filmbühne am Steinplatz, von morgen an. Nach den Vorstellungen des Films werden bis zum 13. Dezember dem Publikum vom "Bildungs- und Aktionszentrum Dritte Welt" jeweils themenbezogene Referate und Diskussionen angeboten. Robert Krieg berichtet über seine Arbeit (9. und 10. 12.), sein Kameramann Peter Petrides schildert seine "Eindrücke eines Augenzeugen" am 7. Dezember.

Jochen Metzner

Der Tagesspiegel (Berlin), 6. Dezember 1989
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